Anya wohnt hier mit ihren Eltern, ihrer Schwester und ihrem Bruder. Ihr Bruder und ihr Vater sind beide beim Militär. Ihr Vater arbeitet für die Flotte im Hafen. Ihr Bruder ist U-Boot-Fahrer in der Asurikflotte. Anyas Mutter versucht die wenigen Ramwuw mühsam zusammenzuhalten. Anya lebt Linientreu und auch nicht in bitterer Armut. Ursprünglich stammt die Familie, wie die meisten in ihrem Wohnumfeld, aus den westlichen Landesteilen.
Sonya ist die jüngere Schwester von Anya. Beide hatten vor kurzem die Schule beendet. Sonya war ein echter Überflieger gewesen und war so in die gleiche Jahrgangsstufe wie Ihre Schwester gelangt, zum Leidwesen ihrer großen Schwester. Trotz alledem verstanden die Beiden sich eher gut.
Weißt du, Anya… Ich vermisse dich manchmal echt hier draußen. Die Kleinen im Heim sind süß, keine Frage, aber manchmal wünschte ich, ich könnte dich einfach in der Pause nerven wie früher in der Schule. Erinnerst du dich, wie du immer versucht hast, so zu tun, als ob du mich nicht kennst, nur weil ich in Bio bessere Noten hatte?
Wie läuft’s bei dir eigentlich so? Hast du dich schon entschieden, was du jetzt machen willst, oder chillst du noch deine post-schulische Freiheit aus?
Du warst halt immer das Superhirn. Ich musste mir den ganzen Mist reinprügeln, während du das irgendwie einfach… wusstest. War schon ein bisschen nervig, ehrlich gesagt.
Und was das Nach-der-Schule-Ding angeht… keine Ahnung. Ich dachte ja, vielleicht irgendwas mit Organisation. Büro oder Verwaltung. Aber ehrlich gesagt – ich weiß es nicht. Irgendwas Nützliches halt. Papa meint, ich soll zur Flottenakademie, aber das wär nur, um zu zeigen, dass ich was kann. Ich glaub, ich wär grottig in Uniform.
Und du? Wie ist das da im Heim? Immer noch diese eine Kleine, die dir folgt wie ein Schatten?
Du wärst nicht grottig in Uniform. Du würdest die Uniform grottig machen, auf die beste Art.
Und ganz ehrlich? Nur weil ich das Zeug irgendwie wusste, heißt das nicht, dass ich’s verstanden hab. Du hast dir das alles erkämpft. Das bewundere ich mehr, als du denkst.
Und ja – Olga. Die mit den riesigen braunen Augen und den Zöpfen, die aussehen, als hätte jemand sie mit Dynamit geflochten. Ich schwöre, sie weiß irgendwie immer, wo ich bin. Heute hat sie sich unter dem Tisch versteckt und mein Bein festgehalten, als ich mit der Heimleiterin geredet hab. Ich hätte fast meinen Tee verschüttet.
Aber weißt du… Es ist hart. Manchmal hab ich das Gefühl, ich geb mir Mühe, und es reicht trotzdem nie. Da ist so viel… Mangel. An allem. An Wärme, an Zeit, an Händen. Ich tu, was ich kann, aber…
Ich glaub, du wärst in dem Chaos gar nicht so fehl am Platz. Du kannst Menschen irgendwie strukturieren. Ich bring ihnen bei, wie man Wörter richtig ausspricht, und du würdest in der Zwischenzeit das ganze Heim neu organisieren, inklusive Essensplan und Inventarliste.
Wenn du nicht zur Flottenakademie willst, dann geh nicht. Papa meint’s gut, aber… das ist dein Leben, nicht seins.
Was würdest du tun, wenn du gar niemandem was beweisen müsstest?
„Das ist das Ding… ich weiß es nicht. Ich mein, ich bin so aufgewachsen, dass alles immer irgendwie einen Zweck haben musste. ‘Mach was Brauchbares, Anya. Tu was für den Staat, Anya. Nutz dich nicht selbst ab, Anya.’ Und dann sitzt man da, zwischen Pflicht und... und Luft.“
„Aber mit Kindern… ich weiß nicht, Sonya. Ich glaub, das wär nix für mich. Ich krieg schon Puls, wenn jemand im Bus zu laut redet. Ich brauch Struktur, nicht Chaos. Ich will nicht trösten oder Pflaster verteilen – ich will, dass Dinge funktionieren. Dass etwas durchdacht ist, verlässlich.“
„Wenn ich niemandem was beweisen müsste… dann würd ich mir irgendwas suchen, wo ich planen kann, wo man mich braucht, um den Überblick zu behalten. Vielleicht im Lager, vielleicht bei irgendeinem Verwaltungsdienst. Etwas, das nicht nach außen glänzt, aber innen nicht zusammenbricht.“
„Ich glaub, ich will einfach gebraucht werden – aber auf meine Weise. Nicht Papas. Nicht in Uniform.“
Du hast recht, Anya. Chaos ist nicht für jeden. Und du bist nicht dafür gemacht, in einer Welt zu leben, die ständig alles durcheinanderwirbelt, nur um danach wieder irgendwie gerade gezogen zu werden.
Du bist jemand, der Dinge wirklich durchdenkt. Der die Übersicht behält, auch wenn’s um die kleineren Details geht, und der auch dafür sorgt, dass alles funktioniert – ohne dass es nach außen schreit.
Da draußen braucht man genau solche Menschen. Du wirst nicht im Rampenlicht stehen, aber du wirst immer gebraucht werden – gerade in den Momenten, wenn es drauf ankommt. Du würdest das gut machen, Anya. Es ist nicht die Uniform, die zählt. Es ist die Art, wie du die Welt in Ordnung hältst, auch wenn du nicht gesehen wirst.
Wenn du das also wirklich willst, dann tu es. Mach das, was für dich richtig ist. Und wenn’s ein Bürojob wird, dann wird der auch wichtig sein – auch wenn Vater was anderes denkt.
Und was auch immer du tust, ich bin immer hier. Ich glaub, du kannst dich auch dann noch auf mich verlassen, wenn du mal wieder wütend bis weil ich dich mal wieder überflügel.
Die Uniform passt nicht zu mir. Und das Rampenlicht erst recht nicht. Ich glaub, du hast es gut zusammengefasst. Ich muss nicht die Welt retten oder groß etwas beweisen. Aber ich kann dafür sorgen, dass die kleinen Dinge laufen. Das ist wichtig genug.
Und was du gesagt hast… dass du immer da bist, auch wenn du mich überflügelst, das bedeutet mehr, als du denkst. Du hast keine Ahnung, wie gut das tut.
Weißt du, es ist vielleicht nicht immer so offensichtlich, aber du bist irgendwie meine Stütze, auch wenn ich’s nicht immer zeige. Ich hoffe, du weißt das.
Ich weiß, Anya. Ich weiß es. Ich… hab es nie so richtig gesagt, aber es bedeutet mir wirklich viel, dass du das sagst.
Du bist meine Stütze auch, weißt du? Du hältst mich zusammen, auch wenn du es vielleicht nicht merkst. Du bist vielleicht nicht derjenige, der die Welt verändert, aber du sorgst dafür, dass alles funktioniert. Das ist etwas unglaublich Wertvolles. Und ich bin stolz auf dich, mehr als du denkst.
Lass uns einfach weiterhin diesen Weg gemeinsam gehen. Ohne unnötige Erwartungen, aber mit dem Wissen, dass wir einander da haben.
Ich hab dich gern, Anya. Und das bleibt so, egal, wohin uns das Leben führt.